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NACHBERICHT: OST-WEST-ACHSE – Oben oder Unten?

24. April 2024

Elke Beccard
Elke Beccard

v.l. Isabella Venturini, Volt; Lukas Lorenz, SPD; Albert Meinhardt, DIE LINKE; Christiane Martin BÜNDINS 90/DIE GRÜNEN; Alexander Krumeich, VCD / Verkehrsclub Deutschland e.V.; Ralph Sterck, FDP; Niklas Kienitz, CDU; Markus Greitemann, Beigeordneter,  Dezernat VI – Planen und Bauen, Stadt Köln; Ascan Egerer, Beigeordneter, Dezernat III – Mobilität, Stadt Köln; Philipp Skoda, Stadtplaner, Urbanophil.Köln; Erich Pössl, Architekt, Vorstand BDA Köln; | Foto: Elke Beccard

Noch vor der Sommerpause will der Kölner Rat entscheiden, ob die Stadtbahn auf der Strecke zwischen Heumarkt und Moltkestraße in den Tunnel gelegt oder weiterhin oberirdisch geführt wird. Dieser Beschluss wird sich über Jahrzehnte hinweg auf den Zustand der Kölner Innenstadt auswirken. Keine Überraschung also, dass der Saal überfüllt war und die Diskussion hitzig.

Wie Philipp Skoda vom BDA Köln einführend aufzeigt, ist die Ost-West Achse das Ergebnis der autogerechten Stadtplanung der Nachkriegszeit. Unter Einbeziehung früherer Planungen und Eingriffe entsteht eine mehrspurige Schneise, die vorrangig als Verkehrsraum wahrgenommen wird. Welche Potenziale und Risiken bergen die beiden Alternativen für die städtebauliche Wiederanbindung der Altstadt Nord an die Altstadt Süd und für den Ausbau des ÖPNV?

© Büro Albert Speer & Partner (heute AS&P)
© Büro Albert Speer & Partner (heute AS&P)

Stand der Planungen

„Der Ausgangspunkt für das ganze Projekt ist die Kapazitätsausweitung im ÖPNV,“ sagt Ascan Egerer, Beigeordneter für das Dezernat III – Mobilität in seiner Einleitung. Die gesamte Ost-West-Achse der Stadtbahn mit der Linie 1 zwischen Weiden-West und Bensberg ist 25 km lang. Für den zentralen Bereich zwischen Deutzer Brücke und Universitätsstraße beauftragte die Stadt im Jahr 2018 zwei Planungsalternativen: eine oberirdische und eine unterirdische Variante. Um die Fahrgast-Kapazität zu erhöhen, so lautete der zeitgleiche Beschluss, sollen die Bahnen von 60 m auf 90 m verlängert werden, bei gleichbleibender Taktung. Zur Grundlage der Planungen gehört nach Aussage Egerers auch, dass unabhängig von der gewählten Variante das Verkehrsgeschehen an der Oberfläche neu geordnet wird: Für den motorisierten Individualverkehr (MIV) gibt es maximal einen Fahrstreifen pro Richtung, und er wird so umgeleitet, dass kein Durchgangsverkehr auf der Achse mehr stattfindet; es gilt Tempo 30, durchgehende Radstreifen werden angelegt, und das Parken im öffentlichen Raum entfällt.

© Copyright: Bernard Gruppe, urbanegestalt, Knüvener Architekturlandschaft, ADE / RPTU
© Copyright: Bernard Gruppe, urbanegestalt, Knüvener Architekturlandschaft, ADE / RPTU

Im Sommer 2022 sind die Architekten und Landschaftsarchitekten Thomas Knüvener und Johannes Böttger zum Projekt dazu gestoßen, „um die Verkehrsplanung von Hauskante zu Hauskante in den Stadtraum hineinzudenken und die Potenziale des öffentlichen Raums zu verstehen und zu heben,“ so Böttger. Wie sich „Oben“ und „Unten“ im Stadtraum auswirken sollen, stellen sie vergleichend anhand von Visualisierungen dar.

Dezernat für Planen und Bauen - Stadtplanungsamt Köln
Dezernat für Planen und Bauen - Stadtplanungsamt Köln

Die neue Oberfläche

Bei beiden Varianten werden am Heumarkt die diagonal laufenden Straßen an der westlichen Platzkante gebündelt, so dass vor dem Maritim Hotel ein Freiraum entsteht. Die Ost-West Achse soll über die „Bäche“ entlastet werden; der von der Deutzer Brücke kommende Verkehr wird hierhin geleitet. Bei der Tunnelvariante wird die Augustinerstrasse bis zum Elogiusplatz zur Fußgängerzone. Zwischen der Tunnelmündung am Heumarkt und den dortigen Bestandsgebäuden entsteht eine Engstelle mit einer Durchgangsbreite von circa 6 m in Nord-Süd Richtung. Von Stadtbahn und MIV umflossen, ist der Neumarkt derzeit an die unmittelbar angrenzenden Einkaufsquartiere nicht angebunden. Diese Verkehre werden auf der Südseite konzentriert, und die Platzmitte ist damit von der Schildergasse aus direkt erreichbar. Geplant ist auch die Netztrennung in Ost-West Richtung: Für Fahrzeuge aus östlicher Richtung kommend gibt es einen „Wender“, und der MIV läuft nur von Westen nach Osten auf einer Fahrspur.

Dezernat für Planen und Bauen - Stadtplanungsamt Köln
Dezernat für Planen und Bauen - Stadtplanungsamt Köln

Bei der oberirdischen Variante sind zwei Lösungen denkbar: Alle vier Haltesteige liegen auf der Südseite, so dass die existierende Baumreihe in die nördliche Trasse einzubeziehen wäre, oder die Bahnsteige bleiben versetzt an beiden Platzlangseiten, wie im heutigen Zustand. Über den Rudolfplatz verläuft die Stadtbahn in beide Richtungen, denn der Bahnverkehr in der Richard-Wagner-Straße entfällt und wird auf die Aachener Straße konzentriert. Auf dem Rudolfplatz gibt es in beiden Alternativen keinen MIV mehr. Beide Fahrrichtungen verlaufen in der Pilgrimstraße.

Dezernat für Planen und Bauen - Stadtplanungsamt Köln
Dezernat für Planen und Bauen - Stadtplanungsamt Köln

Alle Stadträume gemeinsam sehen ihre durch einen Tunnel neu gewonnene Freiheit eingeschränkt durch Durchdringungsbauwerke, die sehr leistungsfähig sein müssen. Die U-Bahn wird teilweise in circa 30 m Tiefe verlaufen, und Treppen und Aufzüge können Verengungen im Stadtraum erzeugen. Zur oberirdischen Variante ist insgesamt festzuhalten, dass 90 m lange Bahnen auch 90 m lange Bahnsteige erfordern, an denen eine Querung nicht möglich ist. Die heute existierenden Z-Querungen mit Ampeln verbleiben im Straßenraum. „In beiden Alternativen gibt es einen großen, neuen, qualitätsvollen Stadtraum von sehr unterschiedlichem Charakter,“ lautet das Resümee von Knüvener.

Elke Beccard
Elke Beccard

v.l. Isabella Venturini, Volt; Lukas Lorenz, SPD; Christiane Martin BÜNDINS 90/DIE GRÜNEN; Albert Meinhardt, DIE LINKE; Alexander Krumeich, VCD / Verkehrsclub Deutschland e.V.; Ralph Sterck, FDP; Niklas Kienitz, CDU; Markus Greitemann, Beigeordneter,  Dezernat VI – Planen und Bauen, Stadt Köln | Foto: Elke Beccard

Vielfalt der Meinungen

Eng war es auch auf dem Podium; und da gab es zunächst einmal die noch unentschlossenen: Sowohl die SPD, vertreten auf dem Podium von Lukas Lorenz, als auch Volt, repräsentiert von Isabella Venturini, warten auf die Beschlussvorlage, um sich zu positionieren. Anders CDU und FDP: Niklas Kienitz (CDU) unterstreicht die nicht rein verkehrliche, sondern stadtplanerische Perspektive seiner Partei, die aufgrund der attraktiveren Perspektiven für die öffentlichen Räume für den Tunnel optiert. Ralph Sterck (FDP) wünscht sich ein offenes Ohr für die Bitte des NRW-Landesministeriums, in Köln doch unbedingt diese U-Bahn zu bauen. Denn dies sei die einzige Chance, eine Milliarde Euro Fördergelder nach NRW zu bekommen, mit der sonst in München der Beton in die Erde gebracht würde. Auch mit dem Verweis darauf, dass an jedem dritten Tag auf der betrachteten Strecke eine Betriebsstörung zu verzeichnen ist, spricht sich die FDP für den U-Bahn Bau aus.

Für „Oben“ plädiert Christiane Martin von BÜNDINS 90/DIE GRÜNEN, die die Möglichkeiten zur Stadtraumverbesserung nicht als Entscheidungsgrundlage gelten lässt. Die zehnfachen Kosten für den U-Bahnbau brächten keinen Kapazitätsgewinn im Vergleich zur oberirdischen Lösung, dafür aber Negativfolgen für die Klimabilanz und das Leben in der Stadt durch jahrzehntelange Baustellen. So positioniert sich auch Albert Meinhardt für DIE LINKE, die durch das Tunnelprojekt den erforderlichen massiven Ausbau des ÖPNV in anderen Bereichen verhindert sieht. Und auch der eingeladene VCD / Verkehrsclub Deutschland e.V., vertreten von Alexander Krumeich, spricht sich mit den erwähnten Argumenten gegen einen Tunnelbau aus.

Baudezernent Markus Greitemann möchte vor allem eins: Den öffentlichen Raum für die Bürger*innen zurückzuerobern, um ihn erleben zu können. Und für diese Prämisse von Stadtplanungsamt und Baudezernat sind in seiner Sicht bei der unterirdischen Variante weitaus mehr Möglichkeiten gegeben. Greitemann betont die enge und gute Zusammenarbeit mit dem Dezernat III Mobilität und kündigt an, dass im weiteren Verlauf ein Qualifizierungsverfahren für die Raumsequenzen eingeleitet wird.

Bei der anschließenden Diskussion wurde in mehreren Beiträgen auf Städte mit hervorragend funktionierenden Trambetrieb verwiesen; doch ebenso auch darauf, dass die Kölner Bahnen eben keine „niedlichen“ Gefährte seien, sondern recht gewichtige Erscheinungen. „Einen Bärendienst,“ würde man der Stadt erweisen, so Ulrich Coersmeier aus dem Publikum, wenn 90 m lange Bahnen im Minutentakt durch die Innenstadt rauschten.

Es war der Verdienst des Abends, Bilder geschaffen zu haben für beide Varianten, und die Potenziale und Risiken von Oben und Unten abzuwägen. Hoffen wir, dass die richtige Entscheidung fällt.

Weitere Infos auf der Webseite der Stadt Köln zum Projekt: ostwestachse.koeln

Text: Ira Scheibe


Und hier der Link zum Nachhören der Veranstaltung:
https://www.youtube.com/watch?v=1r6yChs3On0&t=13s